Fachbibliothek Life Science der HAW Bergedorf

Termin: 06.2018 – 09.2022

Wettbewerb: 1. Rang VGV

Auftraggeber: Amt für Bauordnung und Hochbau | ABH 44

Standort: HAW Hamburg Campus Bergedorf

Denkmalschutzamt Hamburg vertreten durch Albert Schett

Größe: BGF: 1.060 qm | NUF 1-6: 911 qm | KGF: 68 qm

Kosten: 1.930.000 € (KGR 200-600)

Leistungsphasen: LPH2 – LPH9

TGA: HLS: KLIMAhaus Klima- und Gebäudetechnik

TGA: Elektro: Ingenieurbüro Drückhammer

Aufzug: Hamburger Liftservice

Schadstoffsanierung: Wartig Nord

Brandschutz: HAHN Consult

Tragwerk: brakemeier-ingenieure

Akustik: ABJ Akustik Beratung Jacobi

Fotos:  Stefan Roehl, Hamburg

„ Mitten in Bergedorf ist im Jahr 1972 ein Objekt aus einer neuen Zeit gelandet – die Fachhochschule Bergedorf, ein herausragendes Beispiel des Brutalismus“ so schreibt es aktuell der der Denkmalverein Hamburg auf seiner homepage und debattiert die langfristige Nutzung des Gebäudes, das mittlerweile von der HAW Hamburg genutzt wird und nach den Plänen der Hamburger Architekten Graaf + Schweger realisiert wurde.

Im Hamburgischen Jahrbuch 2019/2020 war zu lesen …..Die Fachhochschule Bergedorf ist eine Beton gewordene Utopie – nicht allein eine architektonische, sondern auch eine gesellschaftliche. Die Offenheit und Weite dieser Räume prägen jeden, der hier studieren oder lehren darf. Freies Denken, hier ist es möglich! Möge sich das niemals ändern.“

Beide Zitate beschreiben das Gebäude in Hamburg Bergedorf recht treffend und könnte für Interessierte ein Grund sein, die 45-minütige Anreise aus der Hamburger Innenstadt auf sich zu nehmen und das Gebäude zu besuchen. Lohnend ist auch das Studium der Diplomarbeit von Alina Nettmann, die sie an der TU Wien im Jahr 2022 über das Gebäude vorgelegt hat.

 

Wer eine der beiden Vorschläge annimmt und das Gebäude nicht bereits zwischen 1975 und 2017 anlässlich der legendären Faschingsparty LILABE besucht hat, wird im Erdgeschoss in der Zentralen Halle ein Raumkontinuum erleben, das im Hamburger Universitäts- und Hochschulgebäude einmalig ist. Eine immens große Halle, die differenziert durch etliche Höhenversprünge und Nischenbildungen, eigentlich heute wieder die Ansprüche an einen flexiblen, sich permanent an neue Konstellationen anpassenden Raum, erfüllen könnte. Nahezu ideal für einen bestimmten Typus an Universitätsbau. Überspannt wird dieser Raum von einer signifikanten, dreidimensionalen Betondecke, deren Plattenformate einem strengen Raster folgen und jeweils auf vier Stützen aufgelagert sind.

Zu seiner Entstehungszeit hat man den schnell wachsenden Universitäts- und Hochschulbau eher als systemische Aufgabe betrachtet, ganze Campus-Anlagen mit dem jeweiligen System realisiert und hat andere Maßstäbe etwa in Bezug auf die städtebauliche und architektonische Kompatibilität zum umgebenden Quartier angelegt als es heute der Fall ist.

Die Life-Science-Fachbibliothek ist Teil der zentralen Einrichtungen des Gebäudes und liegt konsequenterweise im Erdgeschoss und ist unmittelbar an die Zentrale Halle angeschlossen. Sie ist ein eigenständiger, zweigeschossiger Baukörper und in Relation zum Gesamtgebäude sehr klein. Ähnlich wie die Zentrale Halle, besitzt auch die Bibliothek eine signifikante Höhendifferenzierung in insgesamt 4 Ebenen.

 

Unser Büro erhielt 2016 die Aufgabe, unterschiedliche Szenarien zum Umbau der Bibliothek zu entwickeln: Eine XL-Variante, die die Bibliothek zu einer weit ausgedehnten Lernlandschaft in Richtung Westen weiterentwickelt. Die 2. Variante sah einen kompakten, zweigeschossigen Erweiterungsbau an der Nordseite der Bibliothek vor, in dem ua. ein Aufzug untergebracht war um – zumindest teilweise – eine Barrierefreiheit für den Bestandsbau herzustellen.

Zur Realisierung freigegeben wurde letztlich die 3. Variante, die ausschließlich die Sanierung der Bestandsbibliothek vorsah. Ein wichtiges Ziel war es, den Innenraum in Bezug auf die Buchaufstellflächen und die wissenschaftlichen Arbeitsplätze an den 2009-11 eingeführten DIN-Fachbericht 13 bzw. an die  aktuell geltende DIN 66700 Bau von Bibliotheken und Archiven anzupassen.

Von ebenso hoher Bedeutung war die Schaffung von Barrierefreiheit für diesen Teil des Gebäudes. Diese war weder in Bezug auf die Erschließung aus der Zentralen Halle noch im Innenraum der Bibliothek gegeben. Die einzelnen Terrassen, auf denen sich die Arbeitsplätze befinden und auch das 1. Obergeschoss war nicht barrierefrei erreichbar.

 

Der Zustand der Bibliothek war zum Zeitpunkt unserer Beauftragung relativ veraltet, teilweise stark überformt durch diverse Ein- und Zubauten, das 1. Obergeschoss mit den dort untergebrachten Gruppenarbeitsräume entsprach in keiner Weise den Anforderungen dieser Funktion. Ein besonderes Detail des historischen Gebäudes waren die Buchregale, die fest in die Pfosten-Riegel-Konstruktion der Fassade eingebaut waren. Ziel der Architekten Graaf + Schweger war es offensichtlich, eine starke Introversion des Raumes, eine Konzentration auf das wissenschaftliche Arbeiten zu erzeugen. Der Blick in die grüne Umgebung des Gebäudes wurde dagegen verwehrt.

Auch dieses prägende Detail war am Beginn unserer Tätigkeit nicht mehr aktiv. Aufgrund der thermisch nicht getrennt ausgeführten Pfosten-Riegel-Konstruktion und der in einer Höhe von ca. 2.00 Metern angebrachten Heizkörpern waren diese Regale nicht mehr benutzbar. An der Fassade kam es zu Kälte- und Zugerscheinungen.

 

Neben den schon erwähnten, technischen und baurechtlichen Ansprüchen, war es der Wunsch der Nutzer*innen und des Bauherrn, einen hellen und einladenden Bibliotheksraum zu erhalten mit tagesbelichteten Arbeitsplätzen und direktem Blick in den umgebenden Grünraum. Neben der Verbesserung der Einzelarbeitsplätze, sollten im 1. Obergeschoss gut proportionierte und ebenfalls tagesbelichtete Gruppenarbeitsräume entstehen. Im gleichen Maße sollten sich die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen der Bibliothek im Bereich Info, Büro und Leitung verbessern.

Insofern sind einige einschneidende Veränderung gegenüber dem Originalzustand vorgenommen worden. Trotz dieser Maßnahmen war es unser Ziel, die wesentlichen räumlichen Qualitäten des Raumes zu erhalten, diese deutlich herauszuarbeiten und an heutige Ansprüche an das wissenschaftliche Arbeiten anzupassen.

Auch raumklimatische Bedingungen galt es zu verbessern, Zug- und Kälteerscheinungen im Winter und Überhitzung und Blenderscheinungen des großzügig verglasten Lesesaals an Sonnentagen zu vermeiden. Insofern ist ein beträchtlicher Teil des Budgets ist die Sanierung der Technischen Ausstattung geflossen.

 

Einen wichtigen Einschnitt in den Planungsprozess stellte im Jahr 2020 die Unterschutzstellung als Denkmal des Gebäudes dar. Fortan wurde das Denkmalschutzamt in Hamburg, in Person von Albert Schett, fest in den Umplanungsprozess integriert. In langen und intensiven Planungssitzungen wurde der Diskurs zwischen Erhalt und Veränderung des Originalzustandes, den Ansprüchen der Nutzer*innen, den architektonischen Ansprüchen und den technischen Veränderungen der Bibliothek diskutiert und letztlich ein verbindliches Regelwerk eingeführt:

– Die Betonkonstruktionen an der Decke, den Stützen und Brüstungen sind wesentlich, sollen erkennbar bleiben und teilweise wieder in den Originalzustand versetzt werden.

– Die Struktur der Einzelarbeitsplätze im Lesesaal soll erhalten bleiben, Größe und Proportion kann an heute geltende Normen angepasst werden. Die für die Zeit typischen Abrundung der Tische soll auch bei den neuen Möbeln vorhanden sein. Die durchgängige Farbe Schwarz der Möblierung kann variiert werden, weiße Tischoberflächen mit dunklen Kanten sind möglich.

– Sämtliche Veränderungen sollen als neue Zeitschicht erkennbar sein und sich deutlich absetzen.

– Alle notwendigen technischen Einbauten und auch alle konstruktiv erforderlichen Stahlkonstruktionen erhalten die gleiche Farbgebung – RAL 9007, Graualuminium –.

 

Elemente des Umbaus

Rampe und Aufzug                                                                                       

Beide Elemente verwandeln die Life-Science-Bibliothek in einen barrierefreien Raum. Die Integration eines Aufzuges in den Lesesaal war eine besondere Herausforderung, galt es doch alle existierenden Ebenen des Raumes, Ebene 0,00/ +0,70/ +1,40/ + 3,50 zu erreichen. Der Aufzug steuert daher auf einen Gesamthöhe von 3,50 m vier Ebenen an und hat 3 Türpositionen an 3 Seiten der Kabine um die nur leicht versetzten Ebenen anzufahren.

Leseterrassen                                                                                                   

Sind das signifikante Merkmal des Raumes. Sie wurden erhalten und in Teilen erweitert um die größeren Arbeitstische anzuordnen. Neue Brüstungen wurden als Holzkonstruktionen erstellt. Die Verschalung wurde dem Schalbild der im Original vorhandenen Betonbrüstungen nachempfunden.

Fassade                                                                                                    

Die vorhandene Pfosten-Riegel-Konstruktion stellt aus heutiger Sicht keine bauphysikalisch befriedigende Lösung dar. Gerade die thermisch nicht getrennten Pfosten und Riegel erzeugen Kältebrücken. Zwar konnte durch den kompletten Austausch der Gläser ein erheblicher Komfortgewinn für den Innenraum erzeugt werden, aus Kostengründen konnten allerdings die tragenden Aluminiumpfosten und Riegel nicht ersetzt werden.

Deckenstrahlheizung                                                                                       

Um den relativ hohen Lesesaal optimal mit Wärme zu versorgen, wurde von den TGA-Ingenieuren eine Deckenstrahlheizung als die geeignete Lösung erarbeitet. Diese verdeckt in Teilen die signifikante Betonkonstruktion der Decke. Nach intensiver Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt und einer geometrischen Anpassung an das Raster der Decke wurde der Ausführung zugestimmt.

Akustik                                                                                                                

Der unzureichende Zustand des ursprünglichen Bibliotheksraumes wurde durch diverse Maßnahmen, etwa im Zusammenhang mit den Deckenstrahlplatten, durch Akustikpaneele entlang der Brüstungen und durch akustisch wirksame Gestaltungselemente an der hohen Innenwand im Lesesaal, erheblich verbessert.

1. Obergschoss                                                                                                    

Der unbefriedigende Zustand des 1. Obergeschosses wurde komplett neugestaltet. Es gibt klar gegliederten Buchaufstellflächen und fünf, nach Norden orientierte Gruppenarbeitsräume.